Therapie der Harnröhrenstriktur

Eine ausführliche Diagnostik und Ursachenforschung ist bei der Therapie der Harnröhrenstriktur von entscheidender Bedeutung. Für die aktive Therapie ist das Wissen der Ursache und Vorgeschichte der Erkrankung entscheidend. Falls eine entzündlich bedingte Harnröhrenstriktur vorliegt sollte man sich zuerst vergewissern, dass die akute Phase der Entzündung abgeklungen und behandelt ist. Erst dann darf eine operative Therapie erwogen werden.

Unsere Experten der rekonstruktiven Harnröhrenchirurgie stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung und bitten das gesamte Spektrum der aktuell vorhandenen Therapiemöglichkeiten an. Eine Beratung in der Urologischen Uniklinik Köln im Rahmen der Zweitmeinung zur Harnröhrenenge kann jederzeit vereinbart werden. Wichtig ist bei den offen-rekonstruktiven Verfahren, dass sie in Zentren mit ausreichender Erfahrung durchgeführt werden, damit optimale Ergebnisse erreicht werden.

Schematische Darstellung der aktuellen Therapiemethoden

Konservative Therapie

Symptomatische Versorgung

Eine symptomatische Versorgung insbesondere bei akuter Harnverhaltung ist Anlage eines transurethralen Dauerkatheters oder suprapubischen Blasenkatheters, welcher in örtlicher Betäubung relativ einfach in geübten Händen bei voller Blase anzulegen ist. Dadurch erfolgt eine Entleerung der Blase mit schneller Erleichterung der Schmerzen und Möglichkeit eines „Sicherheitsventils“ falls erneut das Wasserlassen nicht möglich ist. Dies wird oft auch im Rahmen der operativen Therapie zu Entlastung der frisch operierten Harnröhre durchgeführt.

Eine weitere leichteste und früher seht oft angewandte Form der Therapie ist die Bougierung der Harnröhre, hierbei wir ein Metall- oder Plastik-Bougie (ein konischer Katheter) zur Dehnung der Striktur in die Harnröhre eingeführt und eine kurze Weile belassen um eine dauerhafte Erweiterung der Harnröhre zu bewirken. Dies führt allerdings nur zur vorübergehenden Erweiterung der Harnröhre für wenige Tage oder Wochen und muss regelmäßig in immer kürzeren Abständen durchgeführt werden. Die mechanische Reizung und Mikroverletzung der Harnröhre birgt eine Infektionsgefahr mit Einschleppung von krankhaften Keimen aus der Harnröhre in die Blutbahn mit Folgen einer schwersten Blutvergiftung – Sepsis. Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Strikturbildung bei dieser Methode ist nahezu 100%.

Eine weitere Möglichkeit die Harnröhrenstenose nur mechanisch offen zu halten ist sie sogenannte Stenting der Harnröhre mit Metallröhren mit Gitter- oder Geflechtstruktur, welcher ggf. bei Körpertemperatur sich aufdehnen und dadurch die Striktur offen halten können. Hier sind oft Reizerscheinungen in der Harnröhre mit Schmerzen und Blutbeimengung im Urin möglich, da der Metallstent ein Fremdkörper ist und ständig eine entzündliche und abstoßende Reaktion vom Eingengewebe mit Obstruktionen und Inkrustationen (Salzablagerungen im Steint) verursacht. Die Rezidivrate beträgt dabei zwischen 20-100%. 

Operative Therapie

Endoskopische Therapie

Eine am häufigsten verwendete endoskopische Therapieart ist die Urethrotomia interna ohne und/oder unter Sicht (nach Sachse), die sich vielen Jahren als „Goldstandard „ in der Erstversorgung der Harnröhrenstrikturen etabliert hat. Hierbei erfolgt eine Schlitzung (Inzision) der Narbenenge der Harnröhre bei 12 Uhr mit einer endoskopisch eingeführten Klinge unter Sicht, so dass das Lumen der Harnröhre sich öffnet und dann mit einem Katheter geschient werden kann.

Alternativ kann die Striktur mit Hilfe einer Laserfaser durchtrennt werden (Nd:YAG, Holmium, KTP und andere), hierbei wird das Gewebe durch die hohe Energiefreisetzung thermisch koaguliert sodass dabei nur minimale Blutungen entstehen können. Die Operation kann sehr schnell durchgeführt werden und ist leicht durchzuführen.

Nachteilig ist eine postoperative Entstehung einer noch längeren Narbe mit erneuten Strikturbildung länger als die vorher war und Notwendigkeite von wiederholten Eingriffen. Beim Ersteingriff ist die Rezidivwahrscheinlichkeit bereits bei 50%. Bei wiederholten Eingriffen nahezu 100 %. Bei komplizierten Strikturen mit vollständiger Verwachsung des Harnröhrenlumens kann für die initiale Herstellung der Harnröhrendurchgängigkeit eine kombinierte endoskopische Schlitzung sowohl durch die Harnröhre als auch durch die Bauchdecke (Einstichstelle des suprapubischen Blasenkatheters) aufeinander gerichtete Schlitzung durch das Narbengewebe durchschimmernde Lichtquelle von dem zweiten endoskopischen Instrumenten durchgeführt werden.

Offene chirurgische Therapie

Wenn eine initiale Urethrotomia interna rezidiviert, stellt eine endgültige, definitive operative Versorgung der kurz- und langstreckigen Harnröhrenstrikturen die Therapie der Wahl dar. Hier wird über eine offene Exzision während eines operativen Eingriffs das Narbengewebe entfernt und anschließend eine End-zu End-Anastomose , bzw. ein Gewebeersatz (Transfer) mit einer so genannten Augmentationsplastik vorgenommen.

1) End-zu-End Anastomose

Bei der End-zu-End-Anastomose werden beide gesunde Harnröhrenenden von narbigen Anteilen befreit und locker aneinander angeschlossen und zusammengenäht. Diese Operationsmethode kann lediglich bei kurzstreckigen (bis 1 cm Länge) Strikturen der bulbären Harnröhre angewendet werden. Diese Methode erzielt gute Ergebnisse mit langfristigen Heilungen bis zu 95%.

In den letzten Jahren wurde die Methode der kompletten Durchtrennung des gesamten Schwellkörpers (Coprus spongiosum) zur Vermeidung von postoperativen Erektionsstörungen verlassen und durch eine schonende Operationstechnik mit Erhalt der Kontinuität des Schwellkörpers ersetzt. Dabei wird der Schwellkörper von dorsal inzidiert und lediglich der Defekt der Urethralschleimhaut reseziert. Auf diese Art und Weise bleiben die bulbären Arterien intakt und somit die Durchblutung des Glans penis unbeeinträchtigt. Darunter konnte die postoperative erektile Dysfunktion auf unter 2% reduziert werden.

2) Graft-Urethroplastik

Falls eine End-zu-End-Anastomose aufgrund der Länge oder Lage der Striktur nicht möglich ist, kommt nach Striktur-Resektion der Ersatz des Defekts mit Gewebetransfer zur Anwendung. Hierbei können freie Onlay- oder Inlay-Plastiken mit freiem Graft (Vorhautlappen, eigene Mundschleimhaut, Oberschenkelhaut) oder langstreckige tubuläre gestielte Harnröhrenplastiken, insbesondere bei der Verwendung von Penis- oder Vorhauthaut verwendet werden.

Aktuell gilt eine Harnröhrenplastik mit freiem Graft von eigener Mundschleimhaut als Methode der Wahl und erzielt gute Ergebnisse mit langfristigen Heilungen von 85-90%. Hauptkomplikationen sind eine erneute Striktur (10-15%), Penisdeviation (3 %), Fistelbildung (6%), Harnröhrendivertikel (1%) und erektile Dysfunktion (7%) je nach Lage der Striktur.

Nachteilig bei Anwendung von eigener Mundschleimhaut, insbesondere bei der Entnahme von größeren Bereichen, sind mögliche Komplikationen im Mundbereich, wie beispielsweise Blutungen, Schwellungen und Vernarbungen im Mund, Verletzungen der Speicheldrüsenöffnungen mit sensomotorischen Störungen und Problemen beim Essen, Trinken und Einschränkungen beim Öffnen des Mundes.

3) MukoCell-Urethroplastik

Aktuell besteht alternativ zur Entnahme von größeren Mundschleimhautsegmenten eine schonende Variante: die Harnröhrenrekonstruktion mit MukoCell®, die in unserer Klinik seit 2016 angeboten wird. Das operative Verfahren entspricht dem der Harnröhrenrekonstruktion mit nativer Mundschleimhaut. Allerdings bleibt dem Patienten die schmerzhafte und mit Risiken verbundene Entnahme größerer Stücke der Mundschleimhaut erspart.

Im Rahmen einer ambulanten Biopsie (Probeentnahme) wird lediglich ein sehr kleines Stück (0,4-0,8 cm2) Mundschleimhaut entnommen. Davon werden Zellen isoliert, innerhalb von drei Wochen kultiviert und zum Mundschleimhaut-Transplantat MukoCell® mit ausschließlich patienteneigenen Zellen kultiviert. Die Entnahme größerer Segmente der Mundschleimhaut des Patienten mit den oben beschriebenen Komplikationen, kann so vermieden werden. Weitere Vorteile ergeben sich durch die Verkürzung der OP-Zeit und der vereinfachten OP-Technik.

4) Perineale Urethrostomie

Eine palliative oder zwischenzeitliche Lösung bei komplexen Harnröhrenstrikturen, bei denen Patienten keine aufwendigen operativen Rekonstruktionen mehr wünschen, ist eine perineale (im Dammbereich) Ausleitung der Harnröhre mit Erhalt des Schließmuskels. Hierbei wird die bulbäre Harnröhre direkt in die perineale Haut unterhalb des Skrotums eingenäht. Durch die Möglichkeit des kontinenten Wasserlassens im Sitzen wird eine sehr hohe subjektive Zufriedenheit mit diesem Verfahren erreicht.