- Startseite
- Erkrankungen & Therapien
- Hodentumor
- Therapie des Hodentumors
Therapie des Hodentumors
In unserer Klinik werden alle Therapieformen des Hodentumors von der Hodenentfernung über die organerhaltende Therapie, die systemische Chemotherapie in der Primär- als auch in der Rezidivsituation, die Hochdosischemotherapie mit Stammzelltransplantation in Kooperation mit der Klinik für Hämatologie und Onkologie, die Cyberknife-Bestrahlung von spinalen oder Hirnmetastasen in Kooperation mit der Klinik für Radio-Onkologie und Strahlentherapie sowie die postchemotherapeutische Residualtumorresektion bei verbleibenden Metastasen nach Chemotherapie und in hoher Frequenz angeboten. Die Klinik für Urologie ist eines der von der Deutschen Krebsgesellschaft akkredierten Zweitmeinungszentren und ein europäisches Referenzzentrum für die Therapie der testikulären Keimzelltumoren.
Testikuläre intraepitheliale Neoplasie (TIN)
Wird durch die Hodenbiopsie eine TIN diagnostiziert, sollte eine therapeutische Intervention erfolgen, da 70% der Patienten innerhalb der nachfolgenden Jahre einen invasiven testikulären Keimzelltumor entwickeln werden. Lediglich bei Patienten mit unerfülltem Kinderwunsch und normalem Spermiogramm kann eine abwartende Strategie mit regelmäßiger Selbstpalpation und Ultraschallkontrolle erfolgen. Sollte sich ein manifester Zweittumor entwickeln, kann eine organerhaltende Enukleation angestrebt werden (siehe unten).
Die Therapie der Wahl der TIN besteht in der lokalen Strahlentherapie mit 18-20Gy. Sollte die TIN einseitig durch eine Hodenbiopsie im Rahmen einer Fertilitätsabklärung diagnostiziert worden sein, empfiehlt sich die operative Entfernung des Hodens, da bei lokaler Bestrahlung eine Schädigung der exokrinen und endokrinen Funktion des gesunden Hodens zu erwarten ist.
Beidseitiger Hodentumor
In ca. 3-5% aller Fälle treten die testikulären KZT zeitgleich (synchron) oder zeitversetzt (metachron) in beiden Hoden auf. Während früher die beidseitige operative Entfernung der Hoden mit nachfolgender Testosteronsubstitution die Therapie der Wahl darstellte, hat sich in den vergangenen Jahren die organerhaltende Hodentumorenukleation als Leitlinien-empfohlene Therapie der Wahl durchgesetzt.
„Organerhalt bei bilateralem Hodentumor ist Therapie der Wahl“
Die organerhaltende Hodentumorchirurgie wurde erstmals durch unsere Arbeitsgruppe im Jahre 1995 publiziert und hat in den nachfolgenden Jahren Eingang in die Leitlinien gefunden. Die operative Therapie erfolgt über einen Leistenschnitt.
Voraussetzung für die organerhaltende Enukleation sind die folgenden Kriterien:
- Operation an einem ausgewiesenen Zentrum
- präoperativ normale Serumkonzentrationen von Testosteron und LH
- Hodentumorvolumen < 50% des gesamten Hodenvolumens
- Postoperative Nachbestrahlung des Hodens aufgrund der begleitenden TIN
Die Nachsorgedaten von über 100 Patienten über einen Zeitraum von mehr als 8 Jahren zeigen keine erhöhte systemische Rate und keine reduzierte Heilungsrate. Die körpereigene Testosteronproduktion kann in mehr als 80% der Patienten erhalten bleiben.
Operative Therapie
Nichtseminomatöse testikuläre Keimzelltumoren (NSKZT)
Das klinische Stadium I der NSKZT stellt noch immer eine problematische Tumorentität bezüglich der idealen Therapieempfehlung dar, da ca. 15-40% der Patienten bereits okkulte retroperitoneale Mikrometastasen aufweisen. Die Therapieoptionen variieren deshalb zwischen der aktiven Überwachung oder der primären systemischen Chemotherapie in Abhängigkeit der vorliegenden Risikofakoren. Risikofaktoren, die mit einer Rate von Mikrometastasen assoziiert sind, stellen die vaskuläre Invasion und einer Prozentsatz embryonalen Karzinoms > 80% am Gesamttumor dar.
Fehlen die beiden Faktoren, stellt die aktive Überwachung die Therapie der Wahl dar. Unter der aktiven Kontrolle entwickeln nur ca. 15% aller Patienten ein Rezidiv, welches in über 90% der Patienten innerhalb der ersten beiden Jahre auftritt. Von den rezidivierenden Patienten gehören 90% zum Zeitpunkt des Rezidivs der günstigen Prognosegruppe nach den IGCCCG – Kriterien an und werden durch eine systemische Chemotherapie mit 3 Zyklen einer Kombinationstherapie aus Bleomycin, Etoposid und Cisplatin (BEP, siehe unten) geheilt. 10% der Patienten gehören der Gruppe mit intermediärer oder ungünstiger Prognose an und bedürfen 4 Zyklen der BEP-Chemotherapie. Die langfristige Kurationsrate für die gesamte Gruppe liegt weiterhin bei 98%.
Liegen Risikofaktoren wie die vaskuläre Invasion vor, so entwickeln 40-50% der Patienten ein Rezidiv nach einer medianen Beobachtungszeit von 4-6 Monaten. Liegt die Kombination eines hohen Anteils von embryonalem Karzinom mit vaskulärer Invasion vor, entwickeln mehr als 80% der Patienten ein Rezidiv. Die aktive Überwachung kann auch in dieser Situation gewählt werden; die Kurationsraten bleiben genauso hoch wie für die Patienten ohne Risikofaktoren beschrieben. Alternativ kann eine adjuvante Chemotherapie mit 1 Zyklus BEP appliziert werden, um die Rezidivrate auf ca. 3% abzusenken. Die Applikation von 2 Zyklen PEB ist entsprechend der aktuellen klinischen Studiendaten nicht mehr notwendig und auch nicht einer geringeren Rezidivrate vergesellschaftet. Allenfalls die Nebenwirkungsrate steigt an und es ggfs. mit einer erhöhten Rate von langfristigen Toxizitäten am Herz-Kreislaufsystem und den endokrinen Organen zu rechnen.
Die primäre nervschonende retroperitoneale Lymphadenektomie kommt als Therapie der NSKZT im klinischen Stadium nicht mehr in Betracht. Allenfalls Patienten mit einem reinen Teratom und Risikofaktoren wären Kandidaten für die operative Therapie. Die Erkennung der Risikofaktoren macht eine Aufarbeitung des gesamten Hoden in 3mm – Serienschnitten notwendig. Die Aufarbeitung sollte bei reinem Teratom immer erfolgen, da ca. 2/3 der Metastasen chemotherapierefraktäre Teratomanteile beinhalten. Allerdings sind dies weniger als 3% aller Hodentumorpatienten.
Das klinische Stadium I der NSKZT stellt noch immer eine problematische Tumorentität bezüglich der idealen Therapieempfehlung dar, da ca. 15-40% der Patienten bereits okkulte retroperitoneale Mikrometastasen aufweisen. Die Therapieoptionen variieren deshalb zwischen der aktiven Überwachung oder der primären systemischen Chemotherapie in Abhängigkeit der vorliegenden Risikofakoren. Risikofaktoren, die mit einer Rate von Mikrometastasen assoziiert sind, stellen die vaskuläre Invasion und einer Prozentsatz embryonalen Karzinoms > 80% am Gesamttumor dar.
Risikofaktoren | Rezidivrate |
Vaskuläre Invasion | 40-50% |
Prozentualer Anteil ECA > 80% | 40 – 50% |
VI + ECA > 80% | 80-90% |
Teratom + Kalzifikationen, Narbe, fokale nicht-teratomatöse Anteile | 15-20% |
Tabelle: Risikofaktoren beim NSKZT im klinischen Stadium I und assoziierte Rezidivraten unter aktiver Surveillance (Heidenreich A et al., Cancer 1998; 83: 1002 – 1011)
Patienten im klinischen Stadium IIA mit erhöhten Serumkonzentrationen der Tumormarker AFP, ß-hCG und/oder LDH werden entsprechend der IGCCCG-Kriterien mit 3-4 Zyklen der BEP-Chemotherapie behandelt. Patienten mit negativen Tumormarkern kann die aktive Surveillance mit frühzeitiger CT-Kontrolle nach 6-8 Wochen oder die primär nervschonende RPLA angeboten werden. Hintergrund der drei verschiedenen Therapieoptionen ist die Tatsache, dass ca. 30% der Patienten im klinischen Stadium IIA „falsch-positive“ Lymphknotenbefunde im CT aufweisen. Alle 3 Therapieoptionen führen zu der gleiehen hohen Heilungsrate, jedoch mit unterschiedlichem Nebenwirkungsprofil. Die nsRPLA sollte aus onkologischen und funktionellen Gründen nur in ausgewiesenen tertiären Behandlungszentren durchgeführt werden (Abbildung 7).
Patienten im klinischen Stadium IIB werden der primären Chemotherapie in Abhängigkeit der IGCCCG – Risikoklassifikation mit 3-4 Zyklen BEP zugeführt. Ca. 6 Wochen nach Abschluss der Systemtherapie erfolgt eine bildgebende Kontrolluntersuchung, um die Entscheidung über die Notwendigkeit einer postchemotherapeutischen Residualtumorresektion treffen zu können (siehe unten), die in ca. 30% der Patienten erforderlich ist.
Die Kurationsrate in den beiden genannten Stadien liegt bei 98%.
Die primäre systemische Chemotherapie mit -4 Zyklen BEP in Abhängigkeit der IGCCCG-Risikoklassifikation ist hier die Therapie der Wahl. Patienten mit einer günstigen Prognose erhalten 3 Zylen, Patienten mit einer intermediären oder ungünstigen Prognose werden mit 4 Zyklen therapiert. Alternativ zur BEP-Chemotherapie kann die Kombination aus Cisplatin, Etoposid und Ifosfamid gewählt werden, wenn beispielsweise Kontraindikationen zu Bleomycin vorliegen (siehe unten).
Die primäre Hochdosistherapie oder die Therapie mit einer Kombination aus BEP plus Paclitaxel zeigt keine Vorteile gegenüber der Standardtherapie auf.
Wichtig unter Chemotherapie ist die Kontrolle der Tumormarkerkonzentration vor jedem Zyklus der Therapie, um eine frühe Refraktärität rechtzeitig erkennen und die Therapie umstellen zu können. Ebenso sollte der Abfall der Serumkonzentrationen der Tumormarker entsprechend ihrer Halbwertszeit erfolgen. Dokumentiert sich ein verzögerter Abfall, ist dies mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet und macht die frühzeitige Umstellung der Systemtherapie erforderlich.
WICHTIG: In einer Vielzahl von klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass die langfristige Heilungsrate von Patienten mit einer intermediären oder ungünstigen Prognose von der Erfahrung der behandelnden Institution abhängt: es sollten mindestens 15 Patienten/Jahr therapiert werden.
Ähnlich wie in den Stadien IIB erfolgt ca. 6 Wochen nach Abschluss der Chemotherapie eine bildgebende Kontrolluntersuchung, um die Notwendigkeit einer postchemotherapeutischen Residualtumorresektion adäquat beurteilen zu können.
Bei den fortgeschrittenen NSKZT sollten prinzipiell alle im transversalen und longitudinalen Durchmesser sichtbaren Residualtumoren reseziert werden, da sich vitale Tumoranteile wie Teratom und Karzinom bei ca. 40% bzw. 10% der Patienten nachweisen, die operativ unter kurativer Intention reseziert werden können.
Kleinste Residuen im Retroperitoneum mit einem Durchmesser unter 1cm können der aktiven Surveillance zugeführt werden, wenn zu Beginn der Chemotherapie ein metastasierter NSKZT günstiger Prognose diagnostiziert wurde. In mehreren großen Studien konnte gezeigt werden, dass sich nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von weit über 10 Jahren nur bei weniger als 10% der Patienten Rezidive entwickelt haben. In keinem Falle kam es zu einem tumorbedingten Versterben. Eine operative Resektion der Befunde bei allen Patienten würde somit eine Übertherapie bei über 90% der Patienten bedeuten.
Residuen mit einem Durchmesser > 1 cm im transversalen und vor allen Dingen longitudinalen Durchmesser sollten der kompletten Resektion zugeführt werden. Die Ausdehnung der Resektion richtet sich dabei nach von unserer Arbeitsgruppe entwickelten und durch mehrere Arbeitsgruppen validierten „Heidenreich – Kriterien“. Sind die Residualtumoren maximal 5cm im Durchmesser und befinden sich diese im primären Lymphabflussgebiet des tumortragenden Hodens (siehe oben), ist eine Residualtumorresektion in den modifizierten Feldgrenzen und in nervschonender Technik ausreichend. Zeigen sich jedoch Residuen > 5cm und sind interaortocaval oder außerhalb des primären Lymphabflussgebietes lokalisiert, sollte eine radikale bilaterale Lymphknotendissektion erfolgen (Heidenreich A, Pfister D, et al. Postchemotherapy retroperitoneal lymph node dissection in advanced testicular cancer: radical or modified template resection. Eur Urol. 2009 Jan;55(1):217-24).
„Expertise bestimmt Heilungs- und Mortalitätsrate“
In Abhängigkeit der Größe der retroperitonealen Residuen ist bei bis zu 25% der Patienten mit der Notwendigkeit der Resektion von Nachbarorganen wie der Niere, der Aorta abdominalis oder der Vena cava inferior zu rechnen. In seltenen Fällen kann die Resektion von Darmanteilen und die operative Korrektur von Wirbelkörpermetastasen notwendig werden. Hier bedarf einer ganz besonderen Expertise des Operationsteams, die nur in ausgewiesenen tertiären Referenzzentren gewährleistet ist. Untersuchungen aus dem amerikanischen Raum zeigen, dass die behandlungsbedingte Sterberate in Kliniken mit weniger als 20 Eingriffen pro Jahr signifikant höher liegt als in Institutionen mit hoher Operationsfrequenz.
Die operations-assoziierten Nebenwirkungen sind in erfahrenen Händen gering: in unserer eigenen Untersuchungen fanden sich bei weniger als 10% der Patienten interventionsbedürftige Komplikationen; der mittlere Blutverlust lag bei unter 500ml und die Transfusionsrate bei < 5%. Die Komplikationsrate ist dabei abhängig von der Größe und der Ausdehnung des Residualtumors.
Seminomatöse testikuläre Keimzelltumoren (SKZT)
Seminome im klinischen Stadium I weisen unabhängig von den Risikofaktoren ein Rezidivrisiko von 10-15% unter aktiver Surveillance auf. Die mediane Zeit bis zur Rezidiventwicklung liegt bei 14 (2-84) Monaten und 92% aller Rezidive treten innerhalb der ersten 3 Jahre auf. Die Heilungsrate liegt bei praktisch 100% für die Patienten ohne oder mit Rezidiv. In der Rezidivsituation muss abhängig von der Größe und der Lokalisation des Rezidivs zwischen einer perkutane Radiotherapie oder einer systemischen Chemotherapie entschieden werden.
Als therapeutische Alternative zur aktiven Überwachung kann eine Chemotherapie mit einem Zyklus Carboplatin in der Dosierung AUC 7 erwogen werden. Zumindest bei Patienten, die alle, in retrospektoven Studien ermittelten Risikokofaktoren (Tumorgröße > 4cm, Rete testis Invasion und vaskuläre Invasion) aufweisen sollte die Option besprochen werden. Carboplatin wird als einmalige Infusion unter ambulanten Bedingungen appliziert.
Die perkutane Radiotherapie mit 30Gy im Stadium IIA bzw. mit 36 Gy im Stadium IIB unter Einschluss der ipsilateralen iliakalen Lymphabflussbahnen stellt die Therapie der Wahl dar. Die Rezidivraten liegen bei ca. 5% im Stadium IIA und bei ca. 11% im Stadium IIB.
Die therapieassoziierte Toxizität ist gering und beschränkt sich gastritis – ähnliche Symptome.
Alternativ zur Radiotherapie könnten auch 2-3 Zyklen der BEP-Chemotherapie appliziert werden.
Klinische Studie
Aktuell sind wir als Studienzentrum an einer prospektiv randomisierten klinischen Studie der Schweizer Krebsgesellschaft beteiligt, im Rahmen derer die Standardtherapie gegen eine Kombination aus einer Chemotherapie mit Carboplatin gefolgt von einer gezielten hochdosierten Bestrahlung nur der sichtbaren Lymphknoten evaluiert wird. Ziel der Studie ist es, die therapie-assoziierten Nebenwirkungen der Strahlentherapie zu reduzieren Bei Interesse können Sie sich gerne an unser Studienzentrum über Frau Muthen (noemi.muthen@uk-koeln.de) wenden.
Wie bereits für die NSKZT und SKZT im klinischen Stadium IIB erwähnt, erfolgt die systemische Chemotherapie in Abhängigkeit der IGCCCG-Klassifikation, so dass Patienten mit guter Prognose 3 Zyklen, Patienten mit ungünstiger Prognose 4 Zyklen einer BEP-Chemotherapie erhalten sollten. Alternativ könnten 4 Zyklen PE anstelle von 3 Zyklen BEP oder 4 Zyklen PEI gegeben werden, wenn Kontraindikationen gegenüber Bleomycin bei den im Vergleich zum NSKZT meist etwas älteren Seminompatienten vorliegen sollten.
Das erste bildgebende Staging wird ca. 6 Wochen nach Abschluss der Chemotherapie mit einem CT des Abdomens und Thorax durchgeführt. Das weitere Vorgehen variiert nun zwischen den Seminom- und den Nichtseminompatienten.
Sollte sich beim initial fortgeschrittenen Seminom ein retroperitonealer Residualtumor < 3cm darstellen, kann eine aktive Surveillance angeschlossen werden. Eine operative Resektion ist nicht erforderlich, nachdem frühere Studien in keinem einzigen Falle vitales Seminomgewebe bei den kleinen Residuen nachweisen konnten. Sollten die Residualtumoren > 3cm sein, sollte ein FDG-PET/CT angeschlossen werden. Zeigen sich keine Aktivitäten in den verbliebenen Lymphknoten, kann eine aktive Surveillance angestrebt werden, nachdem sich bei weniger als 5% der Patienten vitales Tumorgewebe in den Residuen zeigt und eine operative Resektion eine absolute Übertherapie darstellen würde. Ist der Lymphknoten aktiv (Abbildung 8), sollte zunächst eine Biopsie zur histologischen Differenzierung Metastase versus postchemotherapeutischer, entzündlicher Umbauvorgänge erfolgen. In Abhängigkeit der Lage und Größe des Residuums kann eine Radiotherapie oder eine postchemotherapeutische Residualtumorresektion erfolgen.
In erfahrenen Händen ist die operative Resektion der Residuen SKZT nicht mit einer höheren Komplikationsrate vergesellschaftet als bei den NSKZT wie unsere Arbeitsgruppe zeigen konnte (Pfister D, Porres D, Matveev V, Heidenreich A. Reduced morbidity in resection of residual tumors after chemotherapy for seminoma. Urologe A. 2015; 54: 1402-1406).
Lungen- oder Lebermetastasen
Residuelle Lungen- oder Lebermetastasen finden sich bei einigen Patienten mit initial ausgedehnter Metastasierung. Da die histologischen Befunde der retroperitonealen Lymphknotenmetastasen und der Lungenmetastasen in über 35% diskordant sind, also nicht übereinstimmen, sollten Lungenmetastasen prinzipiell einer zusätzlichen operativen Entfernung zugeführt werden. Dabei ist ausreichend zunächst eine unilaterale Lungenmetastasenresektion durchzuführen und die Resektion der Gegenseite von der Histologie der entfernten Metastasen abhängig zu machen. Es findet sich eine konkordante Histologie zwischen den beiden Lungenflügeln in ca. 95% der Fälle: liegt einseitig Narbe/Nekrose findet sich dies auch zu 95% kontralateral und es kann eine abwartende Strategie gewählt werden. Lebermetastasen und retroperitoneale Lymphknotenmetastasen zeigen zu über 90% der Fälle eine konkordante Histologie, so dass bei dem Befund einer Narbe oder Nekrose in den Lymphknoten eine abwartende Strategie der Lebermetastasen gewählt werden, insbesondere wenn diese anatomisch schwer zugänglich gelegen sind. Leicht zugänglich gelegene Lebermetastasen können durchaus in gleicher Sitzung reseziert werden. Auch in diesen Fällen ist die Expertise des behandelnden Zentrums von entscheidender Bedeutung für die Heilungsrate und perioperative Komplikationsrate.
Medikamentöse Therapie
Auf der Grundlage einer bekannten Dosis-Wirkungsbeziehung für konventionelle Zytostatika und insbesondere für Platinderivate lässt sich bei fortgeschrittenen, häufig auf konventionelle Platindosen refraktäre Keimzelltumoren durch eskalierte Chemotherapiedosierungen eine verbesserte Wirkung auf den Tumor ableiten. Die Möglichkeiten einer Dosiseskalation werden jedoch durch eine zunehmende Häufigkeit und Schwere der damit verbundenen Nebenwirkungen limitiert. Bei vielen chemotherapeutischen Substanzen stellt die Schädigung des blutbildenden Knochenmarks (die sog. Hämatotoxizität) die erste und häufig wichtigste dosislimitierende Toxizität dar.
Das Konzept der Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation beruht darauf, die für die Blutbildung verantwortlichen, autologen hämatopoetischen Stammzellen des Patienten vor der Exposition durch die toxische Chemotherapie zu schützen, in dem ein Teil der Stammzellen für die Zeit der Hochdosis-Chemotherapie außerhalb der Körpers gelagert wird. Damit können dem Patienten höhere Dosierungen zytotoxisch wirksamer Substanzen mit vertretbarem Risiko verabreicht werden. Jedoch sind auch diese Dosissteigerungen begrenzt, weil andere, nicht-hämatologische Nebenwirkungen (z.B. im Bereich der Niere, Leber oder anderer Organsysteme) eine weitere Dosissteigerung limitieren.
Zusammenfassend ist die Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation in einer spezifischen Indikation somit dann sinnvoll, wenn für die gewählten Chemotherapeutika eine positive, möglichst steile Dosis-Wirkungsbeziehung besteht und gleichzeitig die Hämatotoxizität die wichtigste dosislimitierende Toxizität darstellt. Mit den Substanzen Carboplatin und Etoposid liegen die Voraussetzungen für dieses Prinzip bei der Behandlung von Keimzelltumoren vor [1].
Vor einer autologen Stammzelltransplantation müssen zunächst die gewünschten Blutstammzellen gewonnen werden. „Autolog“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Stammzellen von dem Patienten selbst gewonnen werden – im Gegensatz zu einer „allogenen“ Transplantation, bei der eine dritte Person als Stammzellspender genutzt wird.
Anstatt der direkten operativen Entnahme aus dem Knochenmark wird inzwischen in den meisten Fällen die Sammlung aus dem peripheren Blut durchgeführt. Im „steady-state“ der Hämatopoese findet sich jedoch leider kein ausreichender Anteil von hämatopoetischen Stammzellen im Blut, der eine suffiziente Gewinnung für Transplantationszwecke ermöglicht. In der Phase der Blutbilderholung wenige Tage nach einer erfolgten Chemotherapie unterstützt durch eine zusätzliche Stimulation durch Wachstumsfaktoren (z.B. Granulocyte colony stimulating factor, G-CSF) kommt es jedoch zu einer diskreten Expansion der CD34+ hämatopoetischen Stamm- und Progenitorzellpopulation und vor allem zu einer deutlich vermehrten Ausschwemmung der Zellen in das periphere Blut. Durch mehrstündige Apheresen können die Stammzellen mittels Dichtegradientenzentrifugation gewonnen werden. Die Stammzellpräparate werden anschließend kontrolliert eingefroren und bei -196°C in flüssigem Stickstoff eingelagert.
Zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt – bei Keimzelltumoren aufgrund der angestrebten dosisdichten Therapie in der Regel wenige Tage nach erfolgter Regeneration des Blutbildes – erfolgt die Applikation der eigentlichen Hochdosis-Chemotherapie, die neben der erwünschten Wirkung auf den Tumor auch zu einer lang anhaltenden, nahezu vollständigen Suppression der normalen Hämatopoese führen würde. In der Regel ein bis zwei Tage nach Ende der Chemotherapie werden die Stammzellen kontrolliert aufgetaut und über einen zentralen Zugang unmittelbar retransfundiert. Im Rahmen des sog. „Homings“ finden die transfundierten Zellen aufgrund ihren spezifischen zytoadhäsiven Eigenschaften selbständig den Weg in die entsprechenden Stammzellnischen des Knochenmarks, wachsen dort wieder an und führen meist innerhalb von 8-14 Tagen zu einer Wiederherstellung des blutbildenden Systems.
Bis die transplantierten Stammzellen zu einer ausreichenden Produktion an Blutzellen führen vergehen einige Tage. Entsprechend der Lebensdauer der noch vorhandenen reifen Blutzellen kommt es zu einer ausgeprägten Panzytopenie. Dies führt zu einer schweren Infektanfälligkeit mit Auftreten von Infektionen in bis zu 65% aller Fälle, die eine rasche, empirische Breitband-Antibiotikatherapie notwendig macht. Dazu kommen häufig höhergradige Anämien und insbesondere Thrombopenien, die in vielen Fällen den Einsatz von Transfusionen erfordern. Neben den hämatologischen Nebenwirkungen treten u.a. als Ausdruck der nicht-hämatologischen Toxizität der eingesetzten Zytostatika regelmäßig eine Mundschleimhautentzündung (Mukositis) und andere gastrointestinale Nebenwirkungen auf, die unter Umständen eine vorübergehende parenterale Ernährung notwendig machen. Insgesamt ist für die gesamte Prozedur ein stationärer Aufenthalt von ca. 14-20 Tagen notwendig. Die Letalität einer Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation liegt bei optimaler supportiver Therapie in Abhängigkeit vom Erkrankungsstadium und den vorhandenen Komorbiditäten des Patienten mit Keimzelltumor gegenwärtig bei ca. 1-2%. Die Studie von Lorch et al. zeigte im Arm mit einem Zyklus konventioneller und drei Zyklen sequentieller Hochdosis-Chemotherapien eine Gesamtletalität von 4%.
Bereits durch Standard-Chemotherapien kann auch in fortgeschrittenen und metastasierten Stadien in einem hohen Anteil eine Heilung erreicht werden. Dennoch kommt es gerade in der Hochrisikogruppe nach IGCCCG bei einem signifikanten Anteil an Patienten zu einem Rezidiv.
Zum Stellenwert der Hochdosis-Therapie in der Erstlinie bei Hochrisikopatienten gibt es eine Reihe von Studien. In einem Vergleich fanden Bokemeyer et al. einen Vorteil für eine Therapie mit einem Zyklus VIP und drei Zyklen Hochdosis-VIP mit Stammzellsupport gegenüber einem historischen mit vier Zyklen PEB oder VIP behandelten Kontrollkollektiv. Im Gesamtkollektiv der Hochrisiko- Keimzelltumoren konnte jedoch in sieben größeren durchgeführten prospektiven Studien bisher kein statistisch signifikanter Überlebensvorteil für eine Hochdosis-Therapie in Erstlinie gezeigt werden. Für eine Subgruppe mit inadäquatem Abfall der Tumormarker AFP bzw. ß-HCG unter Erstlinientherapie führte die Hochdosistherapie in einer Studie von Motzer et al. jedoch zu einem verlängertem Gesamtüberleben.
Zusammengefasst gibt es in der Erstlinientherapie daher aktuell keine gesicherte Indikation für eine Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation außerhalb von klinischen Studien. Ggf. ist im Sinne eines individuellen Vorgehens bei Patienten mit hohen Tumormarkern, die unter Therapie nicht adäquat abfallen, eine Hochdosistherapie im Sinne einer frühen Salvage-Therapie zu rechtfertigen.
Im Falle eines Rezidivs eines fortgeschrittenen Keimzelltumors ist die Prognose bereits deutlich schlechter. Konventionelle platinbasierte Chemotherapien mit den Substanzen Ifosfamid und/oder Paclitaxel (PEI/TIP) können in einigen Fällen auch in dieser Situation noch zu einer Heilung führen, besonders in Zusammenhang mit einer Resektion von Resttumoren nach Abschluss der Therapie. Die Chancen auf eine langfristige Tumorkontrolle ist jedoch sehr stark von Risikofaktoren abhängig, zu denen Histologie, Zeitpunkt des Rezidivs, Befallsmuster und Höhe der Tumormarker zählen. Hier können anhand eines Risikoscores fünf Risikogruppen unterschieden werden, deren Überlebensraten nach 3 Jahren zwischen 15% und 77% variieren. In der Zweitlinie konnten je nach Risikogruppe einige Studien einen Vorteil durch eine Hochdosistherapie zeigen, allerdings sind die Ergebnisse nicht konsistent. In der bisher einzigen abgeschlossenen prospektiven randomisierten Phase III-Studie war die einmalige Hochdosistherapie einer konventionellen Chemotherapie nicht überlegen. Es deutet sich aber an, dass mit mehrmaligen sequenziellen Hochdosistherapien ein verbessertes Überleben erreicht werden kann.
Im Falle eines refraktären Keimzelltumors oder bei erneutem Rezidiv ist in vielen Fällen jedoch mit konventioneller Chemotherapie kein kurativer Ansatz mehr zu erreichen. Hier konnten einige retrospektive und prospektive Studien eine Überlegenheit eines Hochdosis-Ansatzes mit autologer Stammzelltransplantation zeigen. Auch hier scheinen Ansätze mit mehrfacher sequenzieller Hochdosistherapie überlegen zu sein.
In den Studien wurden unterschiedliche Chemotherapiekombinationen eingesetzt. Insgesamt zeigte sich, dass in der Hochdosistherapie eine Kombination aus Carboplatin und Etoposid das derzeit aktivste Regimen darstellt und dass mit mehrfachen sequenziellen Hochdosistherapien die Ergebnisse weiter verbessert werden können. Diese Therapien setzten jedoch eine intensive supportive Betreuung und Erfahrung in der Stammzelltransplantationszentren voraus. Nur so können bei vorgesehener dreimaliger Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation im Abstand von 21 Tagen Zeitverzögerungen und Dosisreduktionen minimiert werden, um eine ausreichende Dosisdichte und ein optimales Ansprechen zu gewährleisten. Therapieentscheidungen bei fortgeschrittenen Keimzelltumoren sollten daher immer durch interdisziplinäre Tumorkonferenz in dafür erfahrenen Zentren erfolgen, damit sowohl Hochdosis-Chemotherapien als auch operative Resttumorresektion in adäquater Weise und zum bestmöglichen Zeitpunkt in das jeweilige Behandlungskonzept einbezogen werden können.
Die Nachsorge nach abgeschlossener Therapie erfolgt entsprechend des initialen Tumorstadiums und der Intensität der Therapie risikoadaptiert. Das bei uns favorisierte Nachsorgeregime ist an die Leitlinien der interdisziplinären Hodentumorgruppe der Deutschen Krebsgesellschaft angepasst und in der nachstehenden Tabelle aufgelistet.
Die Nachsorge erfasst nicht nur die tumorspezifischen Charakteristika, sondern auch Nebenwirkungen, die sich im Hormonhaushalt (Testosteronabfall), im Stoffwechsel (Erhöhung der Blutfette, Diabetes mellitus) und im Herz – Kreislaufsystem entwickeln können.
Gruppe 1: Patienten mit lokaler retroperitonealer Therapie
Histologie | Stadium | Therapie | Rezidivraten | Hauptzeitraum |
---|---|---|---|---|
Seminom | I | Radiatio, 20 Gy | 3-5% | 1.-3. Jahr |
Seminom | IIA bzw. IIB | Radiatio, 30Gy bzw. 36Gy | 5-10% bzw. 10-15% | 1.-4. Jahr |
NSKZT | IIA/B 3xPEB | 3xPEB, RTR | 2-5% | 1.-3. Jahr |
NSKZT | IIC/III gute Prognose | 3xPEB | RTR 11-18% | 1.-4. Jahr |
Gruppe 2: Patienten ohne lokale Therapie im Retroperitoneum
Histologie | Stadium | Therapie | Rezidivraten | Hauptzeitraum |
---|---|---|---|---|
Seminom | I | Carboplatin Mono | 3-5% | 1.-3. Jahr |
Seminom | IIB, C, III gute Prognose | 3xPEB oder 4xPE | 11-18% | 1.-4. Jahr |
NSKZT | I, high risk | 1xPEB | 3-5% | 1.-5. Jahr |
NSKZT | IIA-III, gute Prognose | 3xPEB | 8-18% | 1.-3. Jahr |
Gruppe 3: Patienten unter aktiver Surveillance
Histologie | Stadium | Therapie | Rezidivraten | Hauptzeitraum |
---|---|---|---|---|
3A: Seminom | I | keine | 12-31% | 1.-2. Jahr |
3B: NSKZT | I | keine | 14-22% | 1.-2. Jahr |
Gruppe | Nachsorgerhythmus, Jahre | CT Abdomen, (Monat) | Sono Abdomen (Monat) | Rö-Thorax (Monat) | Tumormarker | Hormone/ Lipide | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | >5 | ||||||
1 | 4x | 4x | 2x | 2x | 2x | 1x | 12 & 24 | 6, dann alle 12 | 6,12,18,24, 36, 48, 60 | Jede Vorstellung | 1x/Jahr |
2 | 4x | 4x | 2x | 2x | 2x | 1x | 6, 12 & 24 | 6, 18, 36, 48, 60 | 6,12,18,24, 36, 48, 60 | Jede Vorstellung | 1x/Jahr |
3A | 4x | 4x | 2x | 2x | 2x | 1x | 6,12,18,24 | 3,9,15,21,30,36,48,60 | 6,12,18,2436,48,60 | Jede Vorstellung | 1x/Jahr |
3B | 6x | 6x | 4x | 2x | 2x | 1x | 4, 12 | 24,36,48,60 | Alle 2 Mon bis Mon24, dann jährlich | Jede Vorstellung | 1x/Jahr |