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Peniskarzinom
Das Peniskarzinom stellt eine seltene Tumorerkrankung dar, die vorwiegend den älteren Mann betrifft. Nicht selten sehen wir weit fortgeschrittene Tumorstadien, da betroffene Patienten zum einen oftmals den Gang zum Arzt aufgrund von Schamgefühlen und Angst vor verstümmelnden Operationen vermeiden. Zum anderen stellt die niedrige Inzidenzrate die Behandlung des Peniskarzinoms vor besondere Herausforderungen. Im Jahr 2014 wurden 950 Neuerkrankungen in Deutschland diagnostiziert, das heißt bei ca. 4000 Urologen deutschlandweit wird im Schnitt ein Urologe in 10 Jahren nur mit knapp 2 Peniskarzinompatienten konfrontiert werden. Eine ausreichende Expertise kann daher im Allgemeinen nicht vorherrschen. Eine unverzügliche Diagnosesicherung und Therapieeinleitung ist jedoch von immenser Wichtigkeit, da die Heilungsrate bei einem lokal begrenzten Stadium ohne Metastasierung bei > 90% liegt, im Falle eines fortgeschrittenen Tumorstadiums jedoch oft keine kurative Therapieoption mehr bleibt. Daher sollte die Behandlung von Patienten mit einem Peniskarzinom in Zentren erfolgen, die über einen ausreichenden Erfahrungsschatz und Expertise verfügen.
Die Uniklinik Köln als Bestandteil des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Köln steht hierbei mit den weiteren Zentren der Universitätskliniken Bonn, Düsseldorf und Aachen im Rahmen der interdisziplinären onkologischen Projektgruppe (IOP Peniskarzinom) in stetem Austausch, um die Diagnostik und Therapie des Peniskarzinoms zu optimieren.
Zudem verfügen wir durch enge Zusammenarbeit mit den Kollegen der Nuklearmedizin und Radiologie über modernste Bildgebung und Therapieoptionen und können durch unsere wöchentlich stattfindende interdisziplinäre Tumorkonferenz mit den Kollegen der Strahlentherapie und Onkologie auch bei fortgeschrittenen Stadien ein multimodales Therapiekonzept anbieten.
Peniskarzinome treten zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr auf. Das klassische Peniskarzinom ist ein Plattenepithelkarzinom, das heißt der Tumor geht von der oberen Hautschicht aus und tritt am häufigsten an der Eichel oder der Vorhaut auf, kann jedoch bei fortgeschritteneren Stadien auf den Penisschaft und benachbarte Strukturen übergreifen. Plattenepithelkarzinome weisen verschiedene Subtypen auf, die sich in Malignität und ihrer Metastasierungswahrscheinlichkeit deutlich unterscheiden. Am häufigsten tritt das klassische, verhornende Plattenepithelkarzinom auf. Basaloide und warzige Subtypen gelten als sehr aggressiv, während verruköse und kondylomatöse Subtypen mit einer besseren Prognose vergesellschaftet sind.
Als Risikofaktoren für die Entstehung eines Peniskarzinoms gelten chronisch - entzündliche Erkrankungen von Vorhaut oder Eichel (Lichen sclerosus et atrophicans, Balanoposthitis). Unzureichende Genitalhygiene, vor allem in Verbindung mit einer Vorhautverengung (Phimose) können solche Entzündungen begünstigen und gelten als weitere Risikofaktoren. Erschwerend bei einer Vorhautverengung ist zudem die schlechte Beurteilbarkeit der Eichel, sodass ein Peniskarzinom dadurch lange unentdeckt bleiben kann. Durch sexuell übertragbare Infektionen mit humanen Papillomaviren, insbesondere der Subtypen 16 und 18, können Condylomata acuminata (Genitalwarzen) entstehen, aus denen sich ebenfalls ein Peniskarzinom entwickeln kann. Das Peniskarzinom entsteht häufig aus Vorstufen eines Carcinoma in situ (CIS), sodass Erkrankungen wie die Erythroplasie Queryat und Morbus Bowen obligat behandelt werden müssen. Neben den genannten Risikofaktoren werden Nikotinabusus und ionisierende Strahlung als mögliche Risikofaktoren beschrieben.
Das Peniskarzinom metastasiert - auch bereits in frühen invasiven Stadien - primär lymphogen in die Leistenlymphknoten, eine Fernmetastasierung tritt meist erst in weit fortgeschrittenem Stadium auf. Die Klassifikation der Tumorausbreitung erfolgt nach der internationalen Tumorklassifikation der UICC, die in der aktualisierten Version geändert wurde (siehe Tabelle Aktuelle TNM Klassifikation der UICC).
In frühen Stadien zeigen sich meist unspezifische Hautveränderungen wie Rötungen oder Beläge auf der Eichel und Vorhaut, die oftmals von einer Entzündung nicht zu unterscheiden sind. Dadurch werden sie häufig übersehen oder nicht weiter beachtet. Charakteristisch sind zudem Verhärtungen im Bereich der Vorhaut oder Eichel bzw. Einziehung im Bereich der Eichel.
In späteren Stadien imponiert das Peniskarzinom als blumenkohlartiger Tumor, der zu Blutungen neigen kann. Oftmals sind in diesem Stadium bereits die Lymphknoten im Bereich der Leiste betroffen, die durch tastbare Verhärtungen und/oder Ulzerationen gekennzeichnet sind.
Das Peniskarzinom tritt häufig als exophytisch, seltener als ulzerierender oder initial als flach wachsender Tumor auf. Im Rahmen der klinischen Untersuchung wird durch Inspektion und Tastuntersuchung neben der Tumorausdehnung eine mögliche Infiltration des Tumors in die Eichel, Schwellkörper und Harnröhre beurteilt. Hierzu wird ergänzend eine Sonographie mit hochfrequenten Schallköpfen durchgeführt. In Einzelfällen kann bei geplanter organerhaltender Operation eine MRT Untersuchung des Penis Zusatzinformationen über die Infiltrationstiefe des Tumors liefern. Eine Schnittbildgebung mittels Computertomografie (CT) oder FDG-PET/CT gibt in Bezug auf Ausdehnung und Infiltration des Primärtumors unzureichende Zusatzinformation und wird derzeit nur bei positivem Lymphknotenbefall und zum Ausschluss einer Fernmetastasierung eingesetzt. Bei unklaren Veränderungen der Vorhaut, der Eichel oder des Penisschafts sollte zunächst eine Biopsie zur histologischen Beurteilung erfolgen. Bei eindeutigem Befund sollten histologische Sicherung per Schnellschnittuntersuchung und operative Therapie in gleicher Sitzung erfolgen, um eine Zeitverzögerung der Therapie zu vermeiden.
Der regionäre Lymphknotenstatus ist der wesentliche Faktor für die Prognose des Patienten. Bestehen keine Metastasen der Leistenlymphknoten, liegt das Langzeitüberleben nach 3 Jahren bei > 90%, hingegen bei ausgeprägter Lymphknotenmetastasierung nur bei ca 40%.
Zur Beurteilung einer möglichen Lymphknotenbeteiligung erfolgt die sorgfältige bilaterale Tastuntersuchung und Sonographie der Leistenregion. Während bei palpatorisch vergrößerten Leistenlymphknoten ein FDG PET/CT zum Ausschluss einer Metastasierung als hoch sensitives und spezifisches Verfahren zur Verfügung steht, kann derzeit im Falle palpatorisch unauffälliger Lymphknoten keine Bildgebung ausreichend diagnostische Sicherheit für das Vorliegen einer Metastasierung bzw. Mikrometastasierung geben. Für diese Situation wird Patienten ab einem Tumorstadium pT1 G2 ein invasives Lymphknotenmanagement beider Leisten empfohlen.
Modifizierte inguinale Lymphadenektomie
Bei der modifizierten inguinalen Lymphadenektomie erfolgt im Gegensatz zur radikalen inguinalen Lymphadenektomie die Dissektion der Lymphknoten in einem kleineren Feld unter Schonung der Vena saphena magna. Die entnommenen Lymphknoten werden zur Schnellschnittuntersuchung gesendet. Bei Nachweis einer Metastasierung erfolgt die ipsilaterale radikale Lymphadenektomie.
Sentinel - Node - Biopsie
Hierbei wird der „Wächterlymphknoten“, das heißt der erste im Lymphabflussgebiet des Primärtumors gelegene Lymphknoten, der im Falle einer lymphogenen Metastasierung zuerst betroffen ist, durch präoperative peritumorale Injektion mit einem radiogenen Tracer (Technetium-99m) und/oder Patentblau markiert. Je nach Methode kann man den Sentinel-Lymphknoten intraoperativ mittels Gamma-Sonde aufsuchen und/oder anhand der Blaufärbung identifizieren. Dieser wird reseziert und zur Schnellschnittuntersuchung gesendet. Zeigt sich hier eine Metastasierung bzw. Mikrometastasierung, schließt sich eine klassische radikale Lymphadenektomie an der betroffenen Leiste an.
Der Vorteil insbesondere der Sentinel - Node - Biopsie besteht durch die wesentlich niedrigere Rate an Hautkomplikationen wie Hautnekrosen und Wundinfekten sowie seltenerem Auftreten von postoperativen Lymphödemen als bei der radikalen inguinalen Lymphadenektomie.
Bei Patienten mit tastbaren Lymphknoten sollte eine umgehende histologische Sicherung erfolgen, da in diesem Fall zu 75% Metastasen vorliegen. Eine antibiotische Vorbehandlung zum Ausschluss einer reaktiven Lymphknotenschwellung wird nicht mehr empfohlen. Zunächst sollte eine schnellschnittgesteuerte Exizisionsbiopsie der tastbaren Lymphknoten erfolgen, bei Metastasennachweis sollte in gleicher Sitzung die radikale Lymphadenektomie erfolgen. Bei der radikalen inguinalen Lymphadenektomie werden sowohl die oberflächlichen und tiefen inguinalen Lymphknoten reseziert und die V. saphena magna am Übergang zur V. femoralis abgesetzt. Häufige Komplikationen der radikalen inguinalen Lymphadenektomie sind Wundheilungsstörungen. Zur Vermeidung eines Lymphödems sollten intraoperativ Saugdrainagen eingelegt werden.
Bei Patienten mit mehr als zwei positiven Lymphknoten in der Leiste bzw. einem extranodalen Lymphknotenwachstum wird eine anschließende Lymphadenektomie entlang der iliakalen Lymphknotenstationen empfohlen.
Liegen in der klinischen Untersuchung fixierte oder exulzerierende Lymphknoten vor, sollte zunächst eine neoadjuvante Systemtherapie mit anschließender Salvage - Lymphadenektomie bei gutem Ansprechen erfolgen.
Therapie des Primärtumors
Die Therapie des Primärtumors sollte abhängig vom Tumorstadium erfolgen. Wenn möglich sollte eine organerhaltende Operation angestrebt werden, da das Lokalrezidiv Risiko durch eine organerhaltende Therapie mit 7-10% nur leicht erhöht ist.
Carcinoma in situ
Die Therapie eines Carcinoma in situ kann primär topisch mit 5%iger 5-Fluorouracil-Creme oder mit Imiquimod erfolgen. Bei im inneren Präputialblatt gelegenen Tumoren besteht die Möglichkeit einer Zirkumzision, alternativ die Option einer Laserablation mittels CO2-Laser oder Nd-YAG-Laser. Bei multifokalen pTis-Tumoren bzw. im Falle eines Rezidiv der Glans kann das Glansepithel vollständig abgetragen und anschließend plastisch gedeckt werden (Glansresurfacing).
pTa- und pT1a-Tumore
Beim nicht-invasiven verrukösen Karzinom (pTa) reicht eine Exzision meist aus. Bei gut differenzierten Karzinomen mit subepithelialer Infiltration, aber ohne Nachweis einer lymphovaskulären Infiltration sollte primär eine Exzision des Primärtumors unter Wahrung des Sicherheitsabstandes angestrebt werden. Die anschließende plastische Rekonstruktion kann gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Spalthaut erfolgen. Bei ausgedehntem oder multifokalem Befall ist eine Glansektomie indiziert. Durch eine anschließende plastische Rekonstruktion lassen sich sehr gute kosmetische Ergebnisse erzielen. Eine Lasertherapie ab einem pT1 Stadium ist aufgrund der hohen Rezidivrate von bis zu 23% nicht empfehlenswert.
pT1b- und pT2-Tumore
Bei kleineren pT1b-Befunden sollte analog zu den pT1a-Tumoren eine Exzision des Primärtumors durchgeführt werden. Bei fortgeschrittenen pT1b sowie pT2-Tumoren, die sich auf die Glans beschränken, empfiehlt sich die Glansektomie mit anschließender plastischer Rekonstruktion.
pT3- und pT4 Tumore
Bei fortgeschritteneren Tumoren sollte eine Penisteilamputation erfolgen. Auch hier besteht die Möglichkeit der Bildung einer Neoglans mit Spalthautdeckung. Bei noch weiter fortgeschrittenen Tumoren besteht die Notwendigkeit einer Penisamputation mit Anlage einer perinealen Urethrostomie (Boutonniere).
Eine Systemtherapie wird zum einen neoadjuvant bei Patienten mit bereits großen, fixierten und/oder exulzerierenden Lymphknotenmetastasen mit ggf. zweizeitiger Salvage Lymphadenektomie empfohlen. Des Weiteren sollte eine systematische Therapie adjuvant bei Patienten mit pN2 Status nach erfolgter Lymphadenektomie oder primär bei Patienten mit nachgewiesener Fernmetastasierung erfolgen. Kritisch angemerkt sei hierbei, dass in Studien auch Rezidive in einem pN1 Stadium beschrieben wurden, sodass auch hier in manchen Fällen eine adjuvante Systemtherapie in Erwägung gezogen werden sollte. Als Standardsystemtherapie wird eine Kombination aus Cisplatin, Paclitaxel und Ifosfamid oder 5 FU empfohlen, die über 3 - 4 Zyklen appliziert werden sollte. Eine standardisierte Zweitlinien - Systemtherapie gibt es derzeit nicht. Aufgrund einer nachgewiesenen hohen PD L1 Expression des Peniskarzinoms werden perspektivisch Checkpointinhibitoren eine mögliche Therapieoption darstellen.
Das höchste Risiko eines Lokal- oder Lymphknoten-Rezidivs besteht innerhalb der ersten zwei Jahren nach kurativer Therapie. Innerhalb dieses Zeitraums sollte eine vierteljährliche Kontrolle mit klinischer Untersuchung und Sonografie der Leistenregion erfolgen. Bei Patienten mit positiven Lymphknoten nach einer Lymphadenektomie oder unter Systemtherapie sollte zusätzlich eine FDG/PET-CT-Untersuchung erfolgen. Ab dem dritten Jahr können die Nachsorge-Intervalle auf halbjährlich ausgeweitet werden.