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Therapie des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms
Durch den Einsatz des PSA-Tumormarkers im Rahmen der Früherkennung kam es zu einem signifikanten Anstieg der Prostatakarzinominzidenz. Weiterhin gehören bis zu 30 % der Patienten mit neu diagnostiziertem Prostatakarzinom in die high-risk Gruppe mit lokal fortgeschrittenem Tumorstadium und oder dem Nachweis von Metastasen. Leitliniengerecht gibt es verschiedene Ansätze das lokal fortgeschrittene Prostatakarzinom anzugehen. Dies beinhaltet die radikale Prostatektomie und die externe Strahlentherapie.
Patientenleitlinie fortgeschrittener Prostatakrebs
In verschiedenen prospektiven Studien mit dem Vergleich von einer kombinierten Strahlentherapie und Hormontherapie mit einer alleinigen Hormontherapie als palliativer Therapieansatz konnte ein signifikanter Vorteil der Kombinationstherapie bezüglich des progressionsfreien Überlebens, des Gesamtüberlebens und des tumorspezifischen Überlebens gezeigt werden. Eine aktive lokale Therapie steht somit ausser Frage. Das lokal fortgeschrittene Tumorstadium war früher eher die Domäne der Strahlentherapie. Dies lag an der Tatsache, dass eine erhöhte Rate an R1 Situationen und N1 Status vorlag. Während durch eine Anpassung der Operationstechnik mit einer extendierten radikalen Prostatektomie die R1 Situation signifikant gesenkt werden konnte ohne das funktionelle Ergebnis zu beeinflussen, ist ein positiver Lymphknotenstatus zum Zeitpunkt der Operation kein Grund für einen Operationsabbruch mehr, da ein signifikant besseres onkologisches Ergebnis mit Therapie des Primärtumors vorliegt. In vergleichenden retrospektiven Untersuchungen zwischen Strahlentherapie und Operation ist das onkologische Outcome der Prostatakarzinompatienten mit radikaler Prostatektomie mit vergleichbaren Ergebnissen verbunden.
In unserer Klinik werden Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom gerne in einer interdisziplinären Sprechstunde diskutiert. Hier können die patientenbezogenen Parameter wie Alter, Miktionsverhalten und Komorbiditäten direkt in die individuelle Therapieempfehlung mit einbezogen werden.
Das onkologische Outcome von großen Serien aus den letzten zehn Jahren im Falle einer radikalen Prostatektomie und Lymphadenektomie ist signifikant besser verglichen mit den Daten aus älteren Studien. So liegt das biochemische rezidivfreie Überleben nach 10 Jahren zwischen 43-60%. Das tumorspezifische Überleben wird in diesen Studien nach 10 Jahren mit 90% angegeben. Eine wichtige Information für den Patienten ist die häufige Notwendigkeit eines sogenannten multimodalen Therapieansatzes. Dies insbesondere wenn sich das lokal fortgeschrittene Tumorstadium pathologisch bestätigt, ein positiver Absetzungsrand vorliegt oder Lymphknotenmetastasen nachgewiesen werden. Andererseits liegt in bis zu 25% der Patienten ein Downstaging des Primärtumors zu einem lokal begrenzten Tumor ohne weitere Therapiemaßnahmen vor.
Ein wesentlicher Bestandteil des multimodalen Therapiekonzeptes ist die Strahlentherapie. Es besteht die Möglichkeit einer adjuvanten oder einer frühen salvage Strahlentherapie. Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Tumorstadium haben ein erhöhtes Risiko für positive Absetzungsränder in bis zu 60% der Fälle und positive Lymphknoten in bis zu 50% der Patienten. Im Falle eines operativen Vorgehens ist eine extendierte Lymphadenektomie unter Einschluss der A. iliaca externe, interna der Fossa obturatoria und der A. iliaca communis bis zur Ureterenkreuzung von den nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen. Im Durchschnitt werden in diesen Resektionsarealen 20 Lymphknoten reseziert. Der diagnostische Stellenwert ist unumstritten. Es werden signifikant mehr Lymphknotenmetastasen detektiert. Die Anzahl der entnommenen Lymphnoten korreliert mit dem progressionsfreien Überleben. In einem Vergleich zwischen einer limitierten und einer nicht erfolgten Lymphadenektomie konnte zudem ein reduziertes tumorspezifisches Überleben im Falle einer Lymphadenektomie gezeigt werden. In wie fern sich eine extendierte Lymphadenektomie im Vergleich zu einer standardisierten Lymphadenektomie auf das progressionsfreie- und Gesamtüberleben auswirkt, ist bisher noch nicht geklärt und Inhalt einer aktuell laufenden klinischen Studie, SEAL Studie.
In 3 prospektiv randomisierten Studien konnte ein signifikanter Benefit bezüglich des biochemischen Rezidiv-freien Überlebens und des Metastasen-freien Überlebens im Falle einer adjuvanten Strahlentherapie beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom nach radikaler Prostatektomie beschrieben werden. Nur in einer Studie vor der PSA Ära konnte ein signifikanter Überlebensbenefit bei adjuvanter Strahlentherapie gezeigt werden. Dies konnte in den beiden neueren Studien von Bolla et al. und Wiegel et al. nach einem follow-up von 10 Jahren nicht bestätigt werden. In diesen Studien konnte aber auch herausgearbeitet werden, dass nur etwa 50% der Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Tumorstadium ein biochemisches Rezidiv erleiden und somit eine Übertherapie in 50% der Fälle bei strikter Anwendung einer adjuvanter Therapie mit potentiellen Nebenwirkungen vorliegt. Bisher war in vergleichenden retrospektiven Studien zwischen adjuvanter und salvage Strahlentherapie die salvage Therapie unterlegen. Der PSA-Wert zum Zeitpunkt der Strahlentherapie hat einen entscheidenden Einfluss auf das onkologische Outcome. In aktuellen Serien mit einem PSA-Wert <0,5 ng/ml liegen vergleichbare biochemische Rezidivraten verglichen mit der adjuvanten Therapie vor.
Der Lymphknotenstatus hat einen entscheidenden Einfluss auf die systemische Progression. In verschiedenen Serien konnte ein deutlich schlechteres tumorspezifisches Überleben im Falle von >= 2 Lymphknoten aufgezeigt werden. Als Leitlinienempfehlung kann in diesem Fall eine adjuvante Hormontherapie angeboten werden.
Eine neoadjuvante Therapie, Chemo- oder Hormontherapie, konnte zwar zu einer Reduktion der R1 Situation und einem downsizing des Tumors führen. Das onkologische Ergebnis mit Rezidivsituation und tumorspezifischen Überleben bleibt hiervon unbeeindruckt, so dass eine neoadjuvante Therapie nicht empfohlen wird.
Die Ergebnisse aus alten Serien einer alleinigen Strahlentherapie beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom gingen mit schlechten onkologischen Ergebnissen einher. Das 15-Jahres tumorspezifische und Gesamtüberleben lag demnach bei 33% und 20%. Durch Eskalierung der Strahlendosis auf 74 Gy und höher konnten diese Ergebnisse signifikant verbessert werden. Darüberhinaus konnte in verschiedenen prospektiven Studien nochmals ein verbessertes Überleben bei Patienten mit einer Kombinationstherapie durch Addition einer Hormontherapie erreicht werden.
In der EORTC 22863 Studie wurde in einem großen Kollektiv von mehr als 400 Patienten und mehr als 90% mit einem cT >3 eine Hormontherapie über 3 Jahre als adjuvante Gabe zur Strahlentherapie appliziert. Hierdurch konnte ein signifikanter Benefit im Gesamtüberleben nach 10 Jahren nachgewiesen werden (58,1% versus 39,1%). Durch eine vor Einleitung der Strahlentherapie durchgeführte laparoskopische Lymphadenektomie kann das Therapieschema angepasst werden. Bei Patienten mit entsprechenden kardiovaskulären Komorbiditäten kann bei unauffällige Lymphknotenstatus ein Aussetzen der begleitenden Hormontherapie diskutiert werden. Hierdurch können therapieassoziierte Nebenwirkungen reduziert werden. Durch eine Dosiseskalation auf 81 Gy kann mittels intensitätsmodulierter Radiotherapie (IMRT) eine bessere lokale Kontrolle erreicht werden. Gleichzeitig können lokale (rektale) Langzeitnebenwirkungen signifikant reduziert werden. Die urogenitalen Nebenwirkungen bleiben hiervon unbeeinflusst.
Das lokal fortgeschrittene Prostatakarzinom ist eine Herausforderung an die behandelnden Ärzte. Die Therapieentscheidung zwischen primärer Prostatektomie oder perkutaner Strahlentherapie in kurativer Intention sollte interdisziplinär mit dem Patienten getroffen werden. Die Nebenwirkungsraten beider Verfahren konnten in den letzten Jahren gesenkt werden. Optimierte Operationstechniken ermöglichen ein verbessertes funktionelles Outcome mit Erreichen einer R0-Situation. In der Strahlentherapie erlauben moderne Applikationsformen wie die IMRT eine Dosiseskalation ohne wesentliche Erhöhung der Nebenwirkungsraten. Dabei führt die Kombination mit einer antiandrogenen Therapie zur signifikanten Verlängerung des tumorspezifischen und Gesamtüberlebens.